Wenn wir uns Regeln auferlegen, wo kommen diese her?
Haben wir sie uns selbst ausgedacht, dann kommen sie aus unserem Empfinden, was angemessen ist. Wir können es fühlen. Aber wir können die Gründe ebenso denken. Dann haben wir vor Augen, was passiert, wenn wir die Regeln nicht einhalten würden.
Gehen wir einen Irrweg, so können wir das wahrnehmen, feststellen. Wir können dann versuchen, bewusst einen anderen Weg zu gehen.
Was also, führt uns zu Entscheidungen?
Einmal die individuelle Orientierung. Wir lassen unsere Persönlichkeit entscheiden, was richtig für uns ist.
Und dann die ideelle Orientierung.
Wo mögen die Leitbilder dafür und die Regeln herkommen? Woher weiß ich, dass etwas nicht von mir, sondern von einem anderen kommt? Die ideelle Orientierung kann durch mich selbst geschehen, aber es kann ebenso von anderen stammen.
Ich nehme es z.B. physisch wahr, dass es von anderen kommt. Etwas ist außer mir und spricht zu mir. Zum Beispiel ein Wesen. Etwas wurde von anderen geschrieben und der Text liegt mir vor. Es ist nicht mein Text.
Wir haben Leitbilder in uns zugelassen, die als nicht von uns selbst erscheinen und so wirken, als ob sie uns von einem anderen, gegeben sind.
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Dasjenige, was angemessen ist, können wir fühlen.
Was heißt das?
Etwas Unrechtes lässt sich empfinden. Eine schlechte Tat ist spürbar. Jetzt können wir aber sagen, jeder empfindet anders. Und was dann?
Annahme
Die Sittlichkeit ist keine menschliche Erfindung. Das Moralisch-Ethische ist gesetzt. Es ist nicht der Beliebigkeit menschlicher Entscheidungen unterworfen. Es existiert bereits und wir Menschen können bloß dessen Existenz und Berechtigung bestätigen. Tun wir das nicht, gehen wir unweigerlich zugrunde.
Das Moralisch-Ethische betrifft nicht nur die Frage, wie wir Menschen miteinander umgehen, sondern auch, wie wir Menschen unsere Umwelt, die Tiere, Pflanzen, den Planeten, das Sonnensystem, den Kosmos, das Universum behandeln. Auch das ist eine sittliche Aufgabe.
Wäre das Moralisch-Ethische bloß durch den Menschen gegeben, wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet. Dann könnte der Mensch in einem Zustand des Wahnsinns, womöglich die Erde und alles Leben vernichten wollen. Und dem könnte kein Einhalt geboten werden.
Wenn wir aber annehmen, dass das Sittliche nicht durch den Menschen gegeben ist und der Mensch kann sich dieser nur anschließen, dann wäre alles Handeln und Wollen des Menschen relativ, weil es seine Grenze im Gegebenen hat. Und das Sittliche ist das Gegebene.
Es ist also nicht nur gegeben, der Kosmos, in dem sich der Mensch vorfindet, sondern auch das Wertesystem, welches den Wesen in der Welt die Orientierung bei ihrem Handeln gibt.
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Ist der Mensch dann aber nicht unfrei?
Nein. Es wird verwechselt, Willkür mit Freiheit. Willkür hat nichts mit Freiheit zu tun.
Deswegen ist die Idee auch falsch, anzunehmen, jede neue Partei, könne ein Gemeinwesen völlig anders, als die vorher regierende gestalten. Denn das wäre Willkür.
Die Kontinuität in den Gemeinwesen, ergibt sich nicht aus verschiedenen Parteien und deren extrem unterschiedlichen Vorstellungen von Gesellschaftsgestaltung, sondern aus einer Grundorientierung und Grundregeln, wie wir ein Zusammenleben für möglich erachten. Und solche Grundregeln müssen von allen jeweils herrschenden Kräften anerkannt sein. Sonst funktioniert es nicht.
Gesellschaften sind dann krank, wenn sie derlei Grundregeln missachten und ein Verhalten praktizieren, dass dem gegebenen Moralisch-Ethischen widerspricht. Der Mensch ist zwar frei, sich solchem Verhalten anzuschließen, es symbolisiert aber nicht die Menschheitsentwicklung, sondern eine andere. Es führt in eine andere Richtung.
Wir sind zwar frei, aber im gegebenen Rahmen. Der Rahmen umschließt das Gewordene, Gegebene, Geschaffene. Wir sind innerhalb dieses Szenarios, selbst Geschaffene. Der Bildhauer, Architekt und Künstler, der es geschaffen hat, sind wir nicht.