Donnerstag, 8. Mai 2025

Gewalt?

Zuerst leben die Menschen gemäß der vorgefundenen Natur. Auch die Naturgesetze sollen im Leben der Menschen wirksam werden. 

Wenn wir den Löwen und die anderen Raubtiere sehen, dann haben wir den Eindruck, sie tun was sie wollen, denn sie sind die Stärksten unter allen und niemand steht über ihnen (außer der Mensch).

Der Löwe fragt nicht, ob das Zebra gebissen und sterben will, er tut es einfach. Kraft seiner Gewalt, wird das einfach wirksam, was er tut. 

Wir Menschen aber, bewerten Gewalt. Ist sie berechtigt, ist sie moralisch und sittlich angemessen und sollten wir nicht überhaupt auf Gewalt im Zusammenleben verzichten. Wenn wir die Raubtiere wieder in den Wäldern ansiedeln, um dort ein ökologisches Gleichgewicht zu erzeugen, gehen wir davon aus, dass das Raubtier weiß, was es zu tun hat und was es lassen soll. Aber das Tier ist nicht so. Es denkt nicht nach. Es handelt gemäß seinen Trieben und Instinkten. 

Der Bär sollte nicht den Jogger im Wald angreifen. Das müsste er sich doch denken können. Aber er tut es dennoch. Deshalb wird er dann von den Menschen getötet. Weil sie nicht annehmen, dass der Bär sich überzeugen lässt, dass er das nicht darf. Auch der Mensch, der einen Jogger im Wald angreift, wird von uns Menschen daran gehindert, dies in Zukunft wieder zu tun. Indem wir ihn einsperren, manchmal lebenslang. Auch der Mensch kann gemäß seinen Trieben und Instinkten handeln und auf sein Nachdenken verzichten, was ihm aber im Vergleich zum Bären möglich ist. 

So kann der Mensch nach den Naturregeln leben und sich sagen, wenn ich der Stärkere gegenüber anderen bin, kann ich gegenüber diesen anderen machen, was ich will, weil mich niemand daran hindern kann. Dies ist die einfachste Form der Gewaltausübung. Sie ist aber auch schon moralisch, weil sie sich sagt, der Stärkere hat durch seine Stärke einfach das Recht, zu tun, was dieser will. Dies ist dann auch eine Moral. Sie orientiert sich am Naturrecht.

Eine nächste Stufe wäre zu sagen, ja, es wird Gewalt gegenüber anderen ausgeübt, aber nur, wenn es berechtigt ist. Eine Gruppe kann sagen, wir bekämpfen andere, weil diese sich falsch verhalten und wir das bessere Lebenskonzept haben und die besseren Regeln zum Zusammenleben aufstellen. Deshalb sind wir berechtigt, die anderen zu bekämpfen und sie an ihrem Lebensstil zu hindern und ihnen das Leben schwer zu machen, sie zu eliminieren, sie zu vertreiben. 

Auf dieser Stufe wird die eigene Weltsicht, die eigene Denkweise als überlegen gegenüber anderen Daseinsformen erklärt und daraus wird das eigene Recht abgeleitet, ein anders gestaltetes Dasein in Frage zu stellen. Auch hier wirkt noch immer die vorherige Stufe, weil ja nicht jeder auf solche Ideen kommt, sondern nur solche, die physisch stark genug sind, um gegen andere solche Ideen durchzusetzen.

Neben der permanenten Wirksamkeit der physischen Überlegenheit, kommt jetzt ständig hinzu, die Frage, ob das eigene Verhalten berechtigt ist, gegenüber anderen so zu agieren. 

Wenn wir physische Gewaltanwendung gegenüber anderen grundsätzlich ablehnen, egal, wie wir diese begründen wollten, dann kommen wir an den Punkt, das Eingreifen in das Leben anderer Wesen ganz allgemein zu betrachten und uns zu fragen, wann dürfen wir das überhaupt und sind das vielleicht nur ganz seltene Fälle, in denen dies berechtigt ist. 

Will jemand dennoch, obwohl diese Fragestellungen längst in aller Munde sind, rohe Gewalt gegen andere ausüben, so wird sie heute versteckt angewandt. Sie wird als Unfall oder Krankheit getarnt, sie wird heimtückisch und verborgen ausgeführt.

Während in der Naturrechts -Phase, der Sieger noch mit seiner Tat geprahlt hat, um zu zeigen, wie stark er ist, verbirgt heute der Täter sich, um nicht erkannt und zur Rechenschaft gezogen zu werden. 

Eine weitere Veränderung in der Erscheinung der Gewalt tritt heute ein, indem sie nicht mehr als rohe Gewalt identifiziert sein will, sondern verstärkt, quasi in milderer Form, als Macht auftaucht. 

Macht ersetzt Gewalt.

Die Macht haben, andere Menschen an ihrem Lebensstil zu hindern, die Macht haben, andere in bestimmte Lebensumstände zu zwingen, die Macht haben, das Dasein anderer Menschen zu gestalten.

In dieser Phase wird nicht mehr rohe Gewalt ausgeübt, wird nicht mehr der andere geschlagen oder physisch in die Verbannung getrieben, sondern Rahmenbedingungen so gesetzt, dass der andere gar nicht anders kann, als so zu existieren oder nicht, wie es die Machthaber für diesen vorgesehen haben. 

Aber auch dies wird von der Weltgemeinschaft einer Bewertung unterzogen, sodass Moral, Ethik und Sittlichkeit in alle Bereiche einziehen, die das menschliche Dasein betreffen. Und diese Form der Gewaltausübung wird ebenfalls einer kritischen Untersuchung anheimgestellt, um zu noch besseren Bewertungen unseres menschlichen Zusammenlebens zu gelangen.